17.04.2023; 19:30 Uhr; Musikkneipe Schwarzer Bär, Bismarckstraße 179, 26382 Wilhelmshaven

Gegenstand des anschaulichen und für jedermann verständlichen Vortrags „Relativistische Physik“ von Diplom-Physiker / Astrophysiker Andreas Schwarz ist die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein. Die Relativitätstheorie liefert eine moderne Beschreibung von Raum und Zeit, Energie und Materie, Gravitation und Kosmologie. Noch heute liefert diese Theorie hervorragende Ergebnisse im Rahmen der modernen Physik und ist Grundlage für den Makrokosmos. Wir laden ein zu einer kurzen Geschichte der Raumzeit. Nachfolgend ein kurzer Überblick über die „Relativistische Physik“ für Interessierte, welche wir dann im Vortrag ausfühlicher thematisieren.

Klassische und Relativistische Mechanik bzw. Physik

Physikalische Grundlage der modernen Gravitationstheorie ist die von Albert Einstein im Jahre 1915 formulierte Allgemeine Relativitätstheorie, welche eine Theorie über die Gravitation ist. Diese Theorie löst im Prinzip die Newtonsche Gravitationstheorie von 1687 ab. Dennoch können grundlegende Prinzipien auch aus der Newtonschen Gravitationstheorie abgeleitet werden. Im Prinzip ist die Newtonsche Gravitationstheorie die Grundlagen für die klassische Mechanik. Die Grundlage für die exaktere Relativistische Mechanik sind die Spezielle Relativitätstheorie von 1905 und die Allgemeine Relativitätstheorie von 1915. Nachfolgend soll vor diesem Hintergrund im Einzelnen auf die Newtonsche Gravitationstheorie, die Spezielle Relativitätstheorie und die Allgemeine Relativitätstheorie eingegangen werden.

Die Newtonsche Gravitationstheorie

Die Gravitationstheorie von Isaak Newton geht von einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit aus. Dort spielen sich alle Naturvorgänge ab. Konkret würde das bedeuten, dass es einen absoluten Maßstab geben würde. Wenn zwei Systeme mit einer konstanten Geschwindigkeit (ohne Beschleunigung) gegeneinander bewegt würden, dann ließen sich alle Vorgänge im System 1 in das System 2 transformieren. Ein Beobachter würde z.B. ein Ereignis in beiden Systemen unter gleichen Bedingungen wahrnehmen, wenn die Gravitationstheorie nach Newton uneingeschränkt gelten würde.

In einem System mit einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit addieren sich Geschwindigkeiten uneingeschränkt. Steht ein Beobachter an einem Bahndamm, auf dem ein Zug mit 100 km/h vorbeifährt und läuft jemand mit 5 km/h in diesem Zug in Fahrtrichtung, dann sieht der Beobachter am Bahndamm diesen Jemand mit 105 km/h vorbeirauschen. Die Zuggeschwindigkeit von 100 km/h und die Laufgeschwindigkeit von 5 km/h addieren sich zu einer Gesamtgeschwindigkeit von 105 km/h.

Allerdings stimmt die Newton`sche Theorie nur für kleine Geschwindigkeiten, wie die Messung der Lichtgeschwindigkeit unter verschiedenen Bedingungen zeigte. Wenn jemand mit einer Taschenlampe auf dem Zug stünde, dann müssten sich nach Newton die Geschwindigkeit des Lichtes aus der Taschenlampe und die Zuggeschwindigkeit addieren. Doch das passiert nicht, es wird immer nur die Lichtgeschwindigkeit gemessen. Bei hohen Geschwindigkeiten versagt die Newtonsche Theorie.

Gundlage der klassischen Mechanik sind die drei Newtonschen Axiome, welche die Grundlage für die Bewegungen mit oder ohne Krafteinwirkung bilden, sowie das Newtonsche Gavitationsgesetz

  • Erstes Newtonsches Axiom: Ein Körper beharrt im Zustand der Ruhe (v = 0) oder bewegt sich gradlinig mit konstanter Geschwindigkeit (v = konstant), sofern er nicht einer äußeren Kraft unterworfen ist.
  • Zweites Newtonsches Axiom: Die Beschleunigung eines Körpers ist der auf ihn wirkenden Kraft proportional und erfolgt in Richtung, in der die Kraft wirkt. Es gilt: Kraft (F) = Masse (m) mal Beschleunigung (a) bzw. F = m · a
  • Drittes Newtonsches Axiom: Die von zwei Körpern aufeinander ausgeübten Kräfte (Wirkung und Gegenwirkung) haben die gleichen Beträge und entgegengesetzte Richtungen (actio = reactio). FA→B = -FB→A

In der Newtonschen Gravitationstheorie ist die Gravitation eine Kraft, welche zwischen zwei oder mehreren Massen wirkt. Je nach Anzahl der beteiligten Körper wird zwischen einem Zweikörperproblem und einem Mehrkörperproblem unterschieden.

Nun soll die Massenanziehung von zwei Massen nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz betrachtet werden. An dieser Stelle soll die Information ausreichen, dass die Gravitation eine Eigenschaft der Masse und die Masse eine Eigenschaft der Materie ist. Im Falle der Newtonschen Theorie wird grundsätzlich von sogenannten Massepunkten ausgegangen. Hier wird der Idealfall konstruiert, dass die Massen ausdehnungs- und strukturlos sind, also nur Punkte im Raum darstellen. Das reicht in der Regel aus, um Bewegungen in der Physik zu beschreiben. Allerdings sind die Massen in der Realität natürlich ausgedehnte Körper mit bestimmten Strukturen. Das muss natürlich in bestimmten Fällen auch berücksichtigt werden. Nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz ziehen sich zwei Körper mit einer Kraft F an, welche Proportional zu ihren Massen (m1, m2) und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstandes r² ist:

FG = G∙m1m2/r²

G ist hierbei die Gravitationskonstante. Sie hat den Wert G = 6,672∙10-11 m3∙ s-2∙ kg-1.

Das Erste Newtonsche Axiom führt zur Speziellen Relativitätstheorie und das Zweite Newtonsche Axiom zur Allgemeinen Relativitätstheorie.

Die Spezielle Relativitätstheorie

Eine Lösung lieferte erst die im Jahre 1905 von Albert Einstein aufgestellte „Spezielle Relativitätstheorie“. Nach dieser gibt es keinen absoluten Raum und keine absolute Zeit. Es gibt damit im Ergebnis auch keinen absoluten Raum- und Zeitmaßstab mehr.

Die Spezielle Relativitätstheorie beschreibt folgerichtig die Transformation der physikalischen Größen Länge, Zeit, Masse bzw. Energie, Impuls, Ladung, elektrisches und magnetisches Feld von einem gleichförmig bewegten System in ein anderes. In Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Systems ändern sich nun die Werte für die Länge in Bewegungsrichtung, die Zeit oder die Masse um einen bestimmten Faktor, welcher „Lorentz-Faktor“ oder „Gamma-Faktor“ genannt wird und sich wie folgt ergibt: 

γ  = 1/√(1 – v²/c²)

So wird die Länge in Bewegungsrichtung verkürzt (l = l0/γ), der Zeitverlauf verlangsamt sich (t = γt0) und die Masse vergrößert sich (m = γm0). Merklich werden diese Änderungen allerdings erst bei sehr hohen Geschwindigkeiten, welche in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit liegen.

Die Lichtgeschwindigkeit selbst kann allerdings nicht erreicht werden. In diesem Fall würde die Masse unendlich groß und es müsste unendlich viel Energie aufgebracht werden. Die Photonen der elektromagnetischen Strahlung können sich nur deshalb mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, weil sie im Ruhezustand keine Masse (Ruhemasse) haben. Hier kann es daher auch zu keinem Massenzuwachs kommen. Das gilt selbstverständlich auch für die Gravitonen, die Träger der gravitativen Wechselwirkung.

Aufgrund der Relativität von Raum und Zeit finden auch die Geschwindigkeitsadditionen bei hohen Geschwindigkeiten oder der immer gleiche Wert der Lichtgeschwindigkeit ihre Erklärung. Die Maßstäbe von Raum und Zeit ändern sich immer so, dass der Wert der Lichtgeschwindigkeit in allen gleichförmig bewegten Systemen immer gleich ist. Ein aus der Speziellen Relativitätstheorie folgender Faktor (Lorentz-Faktor bzw. Gamma-Faktor) zieht im Übrigen den Wert der addierten Geschwindigkeiten immer unterhalb des Wertes der Lichtgeschwindigkeit. Der Faktor wird allerdings erst bei sehr hohen Geschwindigkeiten wirksam, so dass bei niedrigen Geschwindigkeiten eine uneingeschränkte Addition der Geschwindigkeiten stattfindet. Dieser Lorentz-Faktor oder Gamma-Faktor wirkt dann auch bei anderen physikalischen Größen, etwa der Länge, der Zeit oder der Masse. Die Newtonsche Theorie ist als Grenzfall für niedrige Geschwindigkeiten enthalten.

Ein Ergebnis der Speziellen Relativitätstheorie ist z.B., dass ein Beobachter im System 1 zwei Ereignisse gleichzeitig wahrnimmt während ein anderer Beobachter im System 2 dieselben Ereignisse nicht gleichzeitig, sondern nacheinander wahrnimmt. Bekannt ist auch ein weiteres Beispiel, das Zwillingsparadoxon. Ein Zwilling begibt sich mit einem Raumschiff auf eine lange Reise in den Weltraum und bewegt sich dabei mit annähernder Lichtgeschwindigkeit. Er kehrt um und kommt zur Erde zurück. Im Raumschiff ist die Zeit langsamer verlaufen als auf der Erde. Sein auf der Erde verbliebener Zwillingsbruder, bei der Abreise natürlich gleich alt wie er, ist nun deutlich älter geworden bzw. der im Raumschiff reisende Zwilling ist nun deutlich jünger als sein auf der Erde verbliebener Zwillingsbruder. Eine weitere wichtige Konsequenz der Speziellen Relativitätstheorie ist die Äquivalenz von Energie und Masse E = mc².

Die Allgemeine Relativitätstheorie

Die Spezielle Relativitätstheorie beschränkt sich auf gleichförmig (ohne Beschleunigung) bewegte Systeme. Die von Albert Einstein im Jahre 1915 aufgestellte „Allgemeine Relativitätstheorie“ ist die Verallgemeinerung auf alle bewegten Systeme, sie berücksichtigt also auch die Beschleunigung. Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie sind alle Gesetze der Physik in jedem Bezugssystem, ob gleichförmig oder beschleunigt bewegt, gleich.

Die Allgemeine Relativitätstheorie stellt eine Theorie des Gravitationsfeldes dar. Zugrunde gelegt wird hierbei das Äquivalenzprinzip, die Äquivalenz (Gleichwertigkeit) von schwerer und träger Masse. Das Äquivalenzprinzip sagt aus, dass das Verhältnis von schwerer und träger Masse den Wert Eins hat. Schwere Masse ist die Eigenschaft, dass Massen sich gegenseitig gravitativ anziehen. Träge Masse ist die Eigenschaft, dass Massen der Änderung ihres Bewegungszustandes einen Widerstand entgegenbringen. Die Äquivalenz von schwerer und träger Masse ist auch der Grund dafür, dass alle Körper unabhängig von ihren Massen im Vakuum (also ohne Reibung) gleich schnell fallen. Zwar ziehen sich größere Massen stärker an und würden dann natürlich auch schneller fallen. Doch haben sie auch eine größere Trägheit, die dem schnelleren Fallen in gleicher Größenordnung entgegenwirkt. Im Ergebnis fallen daher alle Körper unabhängig von ihrer Masse gleich schnell.

Aufgrund des Äquivalenzprinzips zeigt die Allgemeine Relativitätstheorie, dass die Kraft, die ein Massepunkt in einem homogenen Gravitationsfeld erfährt, als Trägheitskraft in einem beschleunigten Bezugssystem angesehen werden kann.

Zur Veranschaulichung soll das Fahrstuhlbeispiel herangezogen werden. Ein Fahrstuhl ohne Fenster hängt über der Erdoberfläche, so dass das Gravitationsfeld der Erde wirkt. Ein Physiker im Fahrstuhl würde eine Anziehungskraft spüren wie wir sie auch spüren. Alles fällt auf den Boden und bleibt liegen bzw. alles verhält sich so, wie wir es in unserem Alltag gewöhnt sind. Nun soll sich der Fahrstuhl außerhalb des Erdgravitationsfeldes oder eines sonstigen Gravitationsfeldes befinden. Am Dach des Fahrstuhls hängt ein stabiles Seil, welches am anderen Ende an einer Rakete befestigt ist. Die Rakete beschleunigt und zieht den Fahrstuhl mit gleicher Beschleunigung hinter sich her. Nun drücken die Beschleunigungskräfte alles an den Fahrstuhlboden. Wie im Gravitationsfeld der Erde fallen alle Gegenstände zu Boden bzw. alles verhält sich wie in einem Gravitationsfeld. Ohne Blickmöglichkeit nach draußen kann der Physiker im Fahrstuhl nicht unterscheiden, ob er sich in einem Gravitationsfeld befindet oder beschleunigt wird. Diese Tatsache folgt aus der Äquivalenz von schwerer und träger Masse.

Die bei gleichförmig bewegten Bezugssystemen (Inertialsysteme) auftretenden Eigenschaften von Raum und Zeit treten auch in beschleunigten Bezugssystemen auf. So verlangsamt sich z.B. der Zeitablauf auch in einem beschleunigten Bezugssystem gegenüber einem anderen Bezugssystem. Wegen dem Äquivalenzprinzip gilt das auch für ein Gravitationsfeld. In einem Gravitationsfeld ist der Zeitablauf ebenfalls verlangsamt. In der Nähe der Oberfläche eines Schwarzen Loches würden wir gegenüber den weiter außerhalb liegenden Bereichen sehr viel langsamer altern. Auch die Allgemeine Relativitätstheorie enthält die Newtonsche Theorie als Grenzfall für kleine Geschwindigkeiten und für kleine Gravitationsfelder. Nach der Newtonschen Theorie ist die Gravitation eine anziehende Kraft, welche zwischen den Massen wirkt. Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie ist die Gravitation eine geometrische Eigenschaft der Raumzeit.

Hinweis:

Eine ausführliche Darstellung der Speziellen und der Allgemeinen Relativitätstheorie findet sich in den Unterkapiteln 8.3 und 8.4 des Lehrwerks „Grundlagen der Astronomie und Astrophysik“ In Unterkapitel 8.3 wird in die Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie eingeführt. In Unterkapitel 8.4 geht es um die Anwendung der Allgemeinen Relativitätstheorie in der Kosmologie. Das Lehrwerk findet sich unter nachfolgendem Link: Lehrwerk „Grundlagen der Astronomie und Astrophysik“